B4B-Leser fragen, unsere Branchenexperten aus der Region antworten: „Wie gehe ich als Unternehmer oder Führungskraft mit den unterschiedlichen Sicherheitsbedürfnissen und Ängsten meiner Mitarbeiter in der Corona-Pandemie um?“ Unsere Expertin für Gesunde Personal- und Organisationsentwicklung, Dr. Michaela Simon, kennt die Antwort.
Durch die Krise und vor allem durch den temporären Wegfall von Selbstverständlichkeiten wie dem persönlichen Kontakt, gesellschaftlichen Events oder kulturellen Veranstaltungen, werden wir darauf aufmerksam gemacht, was für uns von Bedeutung ist und welche Gemeinsamkeiten (das schmerzliche Fehlen der Kontakte etc.) es gibt.
Jeder Mensch ist anders und hat andere (Sicherheits)bedürfnisse
Die Krise zeigt uns aber auch genauso gnadenlos auf, wo die Unterschiede in unseren individuellen Bedürfnissen liegen und wie es wirklich um Werte wie gegenseitige Toleranz und Akzeptanz der Unterschiedlichkeit in unserer Gesellschaft und in den Unternehmen bestellt ist.
Eigene Haltung reflektieren
Für Unternehmer/innen bedeutet dies, sich zunächst einmal selbst mit der eigenen Haltung zum Thema Corona auseinander zu setzen:
- Was ist mir hier wichtig beim Thema Corona? Welcher Sicherheitstyp bin ich? Gehöre ich zur Risikogruppe durch Vorerkrankung oder Alter?
- Welche Konsequenzen ziehe ich für mich daraus?
- Welche Werte und damit Bedürfnisse haben für mich Bedeutung und welche Priorisierung haben sie? (Kontakte, Austausch, Sicherheit, kein Risiko eingehen, Rücksicht auf Angehörige nehmen)
- Inwieweit kann und will ich hier Vorbild sein?
- Was erwarte ich von meinen Mitarbeitern und wie kommuniziere ich diese Erwartungen?
- Wie gehe ich mit den unterschiedlichen Sicherheitsbedürfnissen meiner Mitarbeiter um?
Streit in der Belegschaft beim Thema Maske tragen
Nehmen wir eine mir aktuell häufig gestellte Frage aus der Praxis. Eine Personalchefin sucht Unterstützung bei der Frage: Mitarbeiter streiten, ob sie die Maske selbst immer tragen und dies auch von den anderen verlangen dürfen.
Die Personalchefin selbst findet Sicherheit für sich, ihre Familie und ihre Mitarbeiter wichtig und hält sich an die vorgegebenen Regeln. Sie gehört nicht zur Risikogruppe und ist der Meinung, dass die AHA + L Regeln einigermaßen Schutz bieten. Ihr Unternehmen hat rund 300 Mitarbeiter, die soweit als möglich im Homeoffice arbeiten. Allerdings gibt es auch einen nicht unerheblichen Anteil, deren Aufgabenbereiche im direkten Kundenkontakt liegen und für die Homeoffice nicht machbar ist. Die Büros sind mit neuen Belüftungsgeräten ausgestattet, die auch im Winter für guten Luftaustausch und Virenverringerung sorgen.
Die Personalchefin sieht und spürt eine zunehmend aggressive Stimmung in der Belegschaft und hat nicht nur einen massiven Konflikt/Ausbruch zwischen Kollegen live miterlebt. Die Situation spitzt sich soweit zu, dass man fast von zwei Lagern in der Belegschaft sprechen kann: Diejenigen, die wollen, dass Masken generell und insbesondere beim Eintritt in ihre Büros getragen werden und diejenigen, die sagen, „bei mir können Sie auch ohne Maske reinkommen“.
Unterschiedliche Sicherheitsbedürfnisse berücksichtigen
Die Situation wurde in diesem Fall dadurch entschärft, dass das Thema von der Geschäftsführung aufgegriffen und zum Tagesordnungspunkt der montäglichen Videosession gemacht wurde, und zwar sowohl live für die anwesenden Mitarbeiter als auch per Videoübertragung für Homeoffice Worker.
Situation thematisieren und Haltung transparent machen
Die Personalchefin beschrieb die Situation der unterschwelligen und zum Teil auch offenkundigen Aggression. Sie sagte sehr offen, dass diese Situation sie sehr belaste und Sorge auslöse, da sie im Moment keine beziehungsweise zu wenig gegenseitige Toleranz in der Belegschaft sehe. Und dies zu Konflikten und schlechtem Betriebsklima, Ängsten und in der Folge schlechteren Arbeitsergebnissen führen könne.
Erwartungen klar kommunizieren und gegenseitige Toleranz einfordern
In der aktuellen Situation ging es aber genau darum: Gegenseitig akzeptieren und tolerieren, dass wir unterschiedliche Individuen sind und als solche auch unterschiedliche Bedürfnisse, insbesondere was unsere Gesundheit und körperliche Unversehrtheit/Sicherheit betrifft, haben. Gerade jetzt sei es doch überlebenswichtig, die eigene Sicherheit und die des anderen zu gewährleisten und zu akzeptieren.
Und das heißt:
- Jeder kann natürlich auch am Arbeitsplatz eine Maske tragen und jeder sollte das auch akzeptieren
- Jeder hat die Abstände und weiteren Regeln einzuhalten
- Jeder kann an seinem Arbeitsplatz die Maske ablegen außer es gelten neue Regeln
Die Personalchefin machte damit die Haltung des Unternehmens transparent: Wir nehmen die unterschiedlichen Sicherheitsbedürfnisse unserer Mitarbeiter ernst und respektieren sie! Und wir haben von Unternehmensseite auch klare Erwartungen an die Mitarbeiter und wollen, dass diese gleichermaßen ernst genommen und akzeptiert werden.
Veröffentlicht am 30.11.2020