Unsere Expertin für gesunde Personal- und Organisationsentwicklung, Dr. Michaela Simon, antwortet:
Der Tod eines nahen Angehörigen ist für den Betroffenen eine sehr dramatische Erfahrung, die mit tiefem seelischen Schmerz einhergeht. Trauer kommt immer dann ins Spiel, wenn wir uns der Endlichkeit unseres Daseins bewusst werden. Trauer beschränkt sich nicht nur auf den Tod, wird aber meistens damit in Verbindung gebracht. Der Umgang mit dem Tod und die Trauerphase danach ist sehr individuell, denn die Betroffenen befinden sich in einem absoluten Ausnahmezustand.
Ähnlich ist wohl bei allen, die einen derartigen Verlust erfahren:
„Der Kopf hat verstanden, aber das Herz will nicht begreifen“. Clemens Brentano
In der Psychologie und Trauerforschung findet man unterschiedliche Ansätze: bekannt ist wohl der sogenannte Phasenansatz, der die Trauer in 4 Phasen einteilt, die unterschiedlich lange andauern können. Die Phasenmodelle ähneln auch den Phasen, die Mitarbeiter in Changeprozessen durchlaufen.
Die neuere empirische Forschung mit ihrem amerikanischen Vertreter für klinische Psychologie, Prof. George Bonanno, geht von einem Wellenmodell aus, indem sich Trauer und positive Gefühle abwechseln. Bonanno erklärt, dass der Mensch emotional stärker ist als in den den Phasenmodellen unterstellt wird und die Trauer auch sehr individuell und schneller bewältigt werden kann.
Ohne wissenschaftliche Gewähr bevorzuge ich einen pragmatischen Ansatz, der auf Erfahrung und Wahrnehmung beruht und beide Aspekte beziehungsweise Ansätze im Hinterkopf behält. Für Personalverantwortliche ist es in jedem Fall sinnvoll, die Ansätze zu kennen und sehr achtsam in der Betreuung und Beobachtung des Betroffenen zu sein.
Vertrauensvoll zu hören und da sein
Für Unternehmen bedeutet das, dass eine Vertrauensperson mit gutem Einfühlungsvermögen mit dem Betroffenen umgehen sollte. Gefragt ist jetzt zuhören, da sein und pragmatische Lösungen für die nächste Zeit zu finden, da weder Sie noch der Betroffene wissen, wie der Trauerprozess aussehen wird und wie lange er dauern wird. Das hängt zum einen von der Nähe und der Art der Beziehung zu dem Verstorbenen ab. Und zum anderen von der psychischen Grundkonstellation (siehe auch Resilienzfaktoren) des Betroffenen.
Der Weg vom Leugnen bis zur Akzeptanz
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Nicht wahrhaben wollen
Am Anfang des Trauerprozesses steht das „nicht wahrhaben“ wollen. Unmittelbar nach dem Tod einer Person fühlen sich die Hinterbliebenen alleine, verlassen und isoliert. Der Verlust wird als nicht wahr empfunden. Diese Phase kann Tage oder wenige Wochen dauern.
Insbesondere in dieser Phase brauchen die Betroffenen nebst Mitgefühl oft auch Hilfe und Unterstützung. In der Regel findet dies im privaten Umfeld statt. Fragen Sie nach, ob ein tragendes privates Netzwerk da ist oder ob Hilfe benötigt wird. Klären Sie auch – soweit möglich – ob die betroffene Person mehr Zeit braucht als die von Gesetzgeber gewährten 2 Tage Sonderurlaub.
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Aufbrechen von Emotionen
Die zweite Phase ist meist geprägt von einem Wechselbad der Gefühle: Wut, Angst, Zorn.
Im privaten Umfeld sollte Begleitung und Unterstützung da sein. Falls Ihr Mitarbeiter/in arbeitsfähig ist und arbeiten will, ist das gut. Seien Sie aber in jedem Fall aufmerksam: bei signifikanter Veränderung wie Rückzug etc. fragen Sie nach, ob der Mitarbeiter/in psychologische Unterstützung braucht.
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Suchen und sich trennen
Im Verlauf der Trauerbewältigung steht diese Phase im Zeichen der Erkenntnis. Es ist die Zeit des Abschieds, die hier im Fokus steht. Die Betroffenen brauchen auch in dieser Phase Toleranz und Akzeptanz Ihrer Kollegen. Sie bestimmen selbst, wann sie bereit für eine Neuorientierung sind.
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Neuer Selbstbezug und zurück ins Leben
Die letzte Phase der Trauerbewältigung steht im Zeichen der Akzeptanz. Die trauernde Person hat verstanden und größtenteils verarbeitet. Die Erkenntnis greift, dass das Leben weitergeht und der Verlust verkraftet werden kann.
Fazit
Seien und bleiben Sie von Anfang an in Kontakt mit dem Betroffenen, ohne zu drängen. Nehmen Sie Ihre Fürsorgepflicht sehr ernst: Bieten Sie Unterstützung an, fragen Sie nach, wie das private Netzwerk aufgestellt ist. Lassen Sie nicht nach und seien Sie sehr achtsam bezüglich Veränderungen im Verhalten und der Arbeitsleistung.
Bild: pixabay/geralt